Frauenfrühstück 2/17
Referat „Perfekt – aber k. o.!“
Perfektionismus behindert das Glücklichsein
Das Frühstück, das der Frauentreff Haidenkofen einmal jährlich abhält, hat mittlerweile eine sehr große Anziehungskraft, und so war der Saal des Feuerwehrhauses bereits seit 14 Tagen ausgebucht. Die Vorsitzende freute sich über den großen Zuspruch als sie die Gäste, darunter 2. Bürgermeisterin Roswitha Gstettner, begrüßte. Nach einem wie immer reichhaltigen Frühstück stellte Eva Gerl die Referentin des offiziellen Teils vor: Waltraud Eichinger aus Auerbach ist Lehrerin, Gestaltungspädagogin und selbst Mutter von drei Kindern. Sie sprach sehr persönlich, übrigens in Bayrisch, über den Druck, den vor allem Frauen verspüren, perfekt zu sein. Auch sie lebte viele Jahre nach der Vorgabe, dass immer dann, wenn etwas perfekt vorbereitet ist, auch das perfekte Ergebnis komme. Bis sie plötzlich das Leben etwas ganz anderes lehrte, nämlich, dass eben nicht alles bis ins Detail planbar sei.
Frauen wollen viele Rollen möglichst perfekt ausfüllen: eine gute Mitarbeiterin sein, den Haushalt im Griff haben, eine tolle Mutter, Tochter und Ehefrau sein. „Auch wenn wir wissen, dass es nicht geht, laufen wir diesem Ideal hinterher.“, weiß Frau Eichinger. Das Lachen der Zuhörerinnen war ihr sicher, als sie in einem Rollenspiel als perfektionistische Hausfrau Maria Turechtgut verspätet und gehetzt zum Vortrag kommt, weil sie zu Hause noch alles in perfekter Ordnung hinterlassen wollte. „Mir wäre es ja gar nicht zu unordentlich – aber es ist ja wegen der Leute. Was denkt die Nachbarin, wie es bei mir aussieht, falls sie zufällig klingelt?“ Das Streben nach Perfektion ist für Waltraud Eichinger eine Gefahr für die Seele. Daher rät sie allen Frauen zu überlegen, was wirklich wichtig ist im Leben und den Mut zum „Unperfekten“ zu haben.
Das Streben nach Perfektion, so die Referentin, sei an sich nicht schlecht. Perfektionismus sei nur dann gefährlich, wenn wir unsere Selbstachtung und unser Selbstwertgefühl vom Erfolg abhängig machen. Wer nicht perfekt ist, wird automatisch zum Verlierer.
Oft ist es wie eine Sucht bzw. ein Hilfeschrei: „Weitermachen! Durchhalten! Wenn die Leistung stimmt, werde ich gemocht.“ Bei der Entstehung des Perfektionismus spielt das Elternhaus eine große Rolle. Wenn die hohen Ansprüche der Eltern mit emotionaler Kälte einhergehen, zum Beispiel bei schlechten Noten oder wenn Fehler kaum verziehen werden, verinnerlicht das Kind die Haltung, nur etwas wert zu sein, wenn die Leistung stimmt. Wenn sich alte Menschen nutzlos fühlen oder junge Frauen sich bei jeder Kritik unendliche Gedanken machen, dann habe all das den Ursprung im eigenen Selbstwert. Zu lernen, dass man auch geliebt wird ohne ständig Leistung zu bringen ist ein Umdenkungsprozess. Frau Eichinger hielt ein Plädoyer für den Mut zum Nicht-perfekt-sein. „Überall setzten wir uns ein, aber für uns selbst haben wir keine Zeit.“, mahnte die Referentin zur Kehrtwende.
Vorgestellt wurde von ihr auch die Lebenskunst des „Wabi-Sabi“ aus Japan: Eine Kunst, Schwächen zu akzeptieren, sich nichts beweisen zu müssen und die Schönheit im Unvollkommenen zu finden. Das heiße auch, sich Fehler erlauben, ohne sich dafür zu verurteilen. Eine Möglichkeit wäre das Pareto-Prinzip, die 80-20-Regel. Demnach werden 80 % der Ergebnisse in 20 % der Gesamtzeit eines Projekts erreicht. Die verbleibenden 20 % der Ergebnisse benötigen 80 % der Gesamtzeit und verursachen die meiste Arbeit. Niemand schaffe es, immer 100 % zu geben! Unvollkommenheit macht das Leben erst spannend und lebendig! Davon versuchte Frau Eichinger in ihrem Vortrag zu überzeugen und erhielt dafür sehr viel Applaus.
Die Messlatte hing nach dem vorjährigen Referat von Frau Ströhm ziemlich hoch. Doch auch Frau Eichinger konnte die Zuhörer voll begeistern und Eva Gerl zeigte sich bei ihren Abschlussworten glücklich, dass es ihr nach 3 Jahren endlich gelungen war die Referentin zu engagieren.
Beitrag vom 19.02.2017
