Brennereien



 Ende einer Ära  

 

Aus für landwirtschaftliche Brennereien

  

Zum 30. September 2013 endet das deutsche Branntweinmonopol. Die landwirtschaftlichen Brennereien in Deutschland, die aus stärkehaltigen Agrarstoffen wie Kartoffeln und Getreide hochprozentigen Alkohol erzeugten, können leider nicht zum Weltmarktpreis produzieren. Aus diesem Grunde verschwinden die bäuerlichen Brennereien ab dem 1. Oktober 2013 von der Bildfläche. Damit gehen ein Berufsstand und ein Kulturzweig verloren, die das Leben vieler kleiner Dörfer mitbestimmt haben.

 

Zum letzten Mal wird in diesen Tagen auch in den zwei Haidenkofener Brennereien Alkohol hergestellt. Sobald das Brennrecht für das Betriebsjahr 2012/2013 erfüllt und der letzte Tropfen Alkohol im Tank ist, werden die Anlagen abgeschaltet. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt geht damit eine Ära zu Ende. Die großen Schornsteine, die in vielen Orten das Dorfbild entscheidend mitgeprägt haben, werden vermutlich irgendwann abgerissen. Das Inventar der Brennereien wird verkauft oder verschrottet und die Gebäude einer anderen Nutzung zugeführt werden.

   

Mehr als 100 Jahre lang war die deutsche Alkoholproduktion in der Hand der Bauern. Der Rohalkohol, mit einem Alkoholgehalt von ca. 88 % ist geruchs- und geschmacksneutral. Neben der Weiterverarbeitung zu Spirituosen wird Agraralkohol u. a. auch bei der Herstellung von Arzneimitteln, Kosmetika, Reinigungsmitteln, Desinfektionsmitteln, Frostschutzmitteln, Farben und Lacken verwendet. Die Zentren der Produktion von Kartoffelalkohol lagen in Bayern und Niedersachsen sowie in den neuen Bundesländern Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Bei der Vergabe der Brennrechte wurde insbesondere darauf geachtet, dass vor allem Gegenden mit sandigen und kiesigen Böden in den Vorzug des Brennkontingents kamen.

  

Neben der mit Abstand zahlenmäßig größten Gruppe im Brennereiwesen, den Obstbrennern, gab es in Deutschland ca. 500 Kartoffelbrennereien (Guts- u. Genossenschaftsbrennereien) mit 700.000 hl regelmäßigem Brennrecht. Die zuletzt 200 bayerischen Kartoffelbrennereien, davon die Hälfte Genossenschaftsbrennereien, befanden sich überwiegend in der Oberpfalz, Mittelfranken und der Münchner Schotterebene. Allein in einem Umkreis von 12 km rund um Haidenkofen waren über 20 Brennereien in Betrieb. Struktur und Verteilung der Brennrechte hatten historische Wurzeln. Meistens handelte es sich um landwirtschaftliche Familienbetriebe, die über verliehene oder seit 1922 erwerbbare Brennrechte oder Brennkontingente verfügten. Das deutsche Branntweinmonopol galt nur für Unternehmen, die Branntwein im Nebenerwerb herstellten und das in einem geschlossenes Wirtschaftskreislauf. Es wurden fast alle Schritte der Spirituosenherstellung selbst durchgeführt und damit die Wertschöpfung in der Landwirtschaft gehalten: von der Rohstoffproduktion bis zur Erzeugung des Rohalkohols.

  

Vom Verfahren her wird Kartoffelschnaps genauso hergestellt wie Obstschnaps. Nach gründlichem Waschen werden die stärkehaltigen (mehligen) Kartoffeln erhitzt und bei einer Temperatur von ca. 95 °C zu einem Brei vermahlen. Dieser Brei wird unter Zugabe bakterieller Enzyme (früher Gerstenmalz) verflüssigt (bei 70–90 °C) und verzuckert. In der so hergestellten Maische setzt nun eine alkoholische Gärung ein. Dieser Gärprozess findet in großen Gärbottichen statt und ist nach ca. drei Tagen abgeschlossen.

 

Im sog. Destillierapparat erfolgt der anschließende Brennvorgang. Da Alkohol früher siedet als Wasser, kann er beim Erhitzen der Maische vom Wasser weitgehend getrennt werden. Um die Alkoholausbeute zu verbessern durchläuft das Gemisch den sog. Dephlegmator, einen Kondensator, der Dämpfe kondensiert. Dadurch wird der Alkohol größtenteils vom Rest der Maische getrennt und es wird je nach Brennvorgang bis zu 90-prozentiger Alkohol erzeugt. Da die Alkoholerzeugung einer strengen Kontrolle unterliegt, wurde der Rohsprit in Menge und Stärke durch Messuhren genau erfasst, in verplombten (verschlossenen) Behältern gelagert und erst im Beisein eines Zöllners in Tanklastzüge abgefüllt und an die Bundesmonopolverwaltung (BMV) abgegeben. Eine private Entnahme war somit nicht möglich. Die BMV übernahm nach der Reinigung des Alkohols auch seine Vermarktung. Im Gegensatz zu den Abfindungsbrennereien wurde bei den Verschlussbrennereien die tatsächlich produzierte Alkoholmenge besteuert. Jeder Betrieb durfte maximal so viel Hektoliter Alkohol erzeugen wie er Brennrecht besaß.

  

 

 

Geschichte der Brennereien

 

Die ersten Kartoffelbrennereien entstanden 1750 in der Pfalz. 1810 wurde das Brennen allgemein freigegeben. Bis dahin war es den Rittern und Braukrügen (= Dorfschänken, die Selbstgebrautes vertreiben durften) vorbehalten. Bereits 1817 entwickelte Pistorius ein Destillationsgerät zur Herstellung von Alkohol mit 60 - 80 %. Durch den Betrieb der Brennereien sollte die Lage der Landwirte verbessert und die wirtschaftliche Situation bestimmter Regionen gefördert werden. Ein nicht unbedeutender Grund war die zusätzliche Einnahmequelle der Obrigkeit durch Steuern, denn der Steuersatz wurde entweder nach der eingesetzten Rohstoffmenge oder der Leistungsfähigkeit der Brennblase („Blasenzins“) erhoben. Preußen führte 1820 die sog. Maischbottichsteuer ein.

  

Der zunehmende Kartoffelanbau und die nun preiswertere Herstellungsmethode führten zu einem regelrechten Schnapsboom. Ab den 1830er Jahren entstanden Lokale, die auch billigen Schnaps ausschenkten. Nachdem der Arbeitslohn teilweise in Kartoffelschnaps ausgezahlt wurde, machte sich in der Bevölkerung Alkoholismus breit, der zunehmend in Armut und Arbeitslosigkeit endete. Mit dem Reichsbranntweinsteuergesetz von 1887, zur Zeit von Reichskanzler Bismarck, wurden erstmalig agrarpolitische, sozialpolitische und gesundheitspolizeiliche Ziele verfolgt und der Kartoffelschnaps durch die Steuererhebung erheblich verteuert. Dadurch wurde der Branntweinkonsum erheblich eingedämmt. Das von Kaiser Wilhelm dem Zweiten am 26. Juli 1918 unterzeichnete erste Branntweinmonopolgesetz trat am 1. Oktober 1919 in Kraft. Seit dieser Zeit besteht Ablieferungspflicht der Verschlussbrennereien an die Monopolverwaltung.

 

1951 wurde die bis heute bestehende Bundesmonopolverwaltung für Branntwein in Offenbach gegründet. Einen großen Aufschwung erlebte der Alkoholmarkt in den 1960er Jahren. Die Gründung von neuen Brennereien (meistens Brennereigenossenschaften = Zusammenschluss von mehreren Landwirten) war damals eng verknüpft mit dem Ausbau der Bullenmast in Bayern. Die in der Brennerei als Nebenprodukt anfallende Schlempe musste verfüttert werden (z. B. für Bullenmast). Erst seit den 1980er Jahren darf sie als Dünger auf die Felder ausgebracht werden. Das Entgelt, das die Bauern für den Alkohol erhielten, wurde von der BMV jedes Jahr neu festgelegt. Da die Bundesmonopolverwaltung der einzige Anbieter von Alkohol auf dem deutschen Markt war, hatte die Industrie keine Wahl und musste die geforderten Preise zahlen. Bis zu diesem Zeitpunkt erzielte der deutsche Staat beträchtliche Einnahmen aus der Branntweinherstellung (bis zu 26 Mio. € jährlich). Billige Einfuhren aus dem Ausland wurden mit Zöllen reguliert.

 

Das änderte sich, als 1976 der Europäische Gerichtshof entschied, dass das bisher geltende Einfuhrmonopol gegenüber preiswerterem Agraralkohol gegen das geltendes EG-Recht verstößt und Alkohol zu Weltmarktpreisen eingeführt werden darf. Die Folge war, dass der Alkohol aus den landwirtschaftlichen Brennereien nicht mehr kostendeckend auf dem deutschen Markt abgesetzt werden konnte. Die BMV musste ihre Verkaufspreise drastisch senken, um im Wettbewerb zu bleiben. Andere EU-Mitgliedstaaten und Drittländer können Agraralkohol in Alkoholfabriken industriellen Ausmaßes auf der Basis preiswerter Rohstoffe wie Zuckerrüben- oder Zuckerrohrmelasse einzügig und viel billiger herstellen. Die heimischen landwirtschaftlichen Brennereien, mussten mit Zuschüssen aus dem Bundeshaushalt gestützt werden und durften meistens nur noch  50 - 60 % ihres tatsächlichen Brennrechts nutzen. Auch wenn die BMW im Gegensatz zu den meisten anderen Subventionsempfängern (Kohlebau, Werften, ...) bereits überproportional zur Entlastung des Bundeshaushaltes beigetragen hatte, beschloss die EU 2010 das Aus für die Kartoffelbrenner zum Jahr 2013 und für Obstbrenner 2017. Auf EU-Ebene wollte man diese deutsche Besonderheit nicht mehr dulden.

 

Das Ende des Monopols ist mit keiner erzwungenen Betriebseinstellung der Brennereien verbunden. Jede Brennerei könnte weiter produzieren, müsste sich aber auf dem freien Markt selbst Abnehmer suchen. Wie Martin Empl, der Vorsitzende des Verbands der landwirtschaftlichen Brennereien in Deutschland, erläuterte, wäre bei einer Erhöhung von sechs Cent netto pro 0,7-Liter-Flasche Schnaps die Deckungslücke geschlossen. Doch es gebe keine Förderung zur Fortführung der Brennereien. Im Gespräch war auch die Erzeugung von Bioethanol für den Treibstoffsektor. In der Realität geht niemand dieses Wagnis ein, vor allem weil aus den WTO-Verhandlungen ersichtlich ist, dass Zollsenkungen den Preis für Alkohol auf eine Ebene drücken, die es selbst der Industrie in Deutschland nicht mehr möglich macht, Alkohol konkurrenzfähig zu erzeugen.

 

Auch wenn der in den landwirtschaftlichen Brennereien erzeugte Alkohol zum größten Teil qualitativ höherwertig ist als die ausländischen Produkte, so wird den landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland erneut eine Zukunftsperspektive genommen. Die meisten Brennereien werden ganz aufhören. Das bedeutet, dass die über 100-jährige Geschichte des Brennereiwesens zu Ende geht und ein weiterer Wirtschaftszweig dem Weltmarkt überlassen wird. Eine lange Tradition von bäuerlicher Alkoholerzeugung, die sicherlich auch ein Teil Kulturgut und Geschichte unserer Dörfer ist, fällt der EU zum Opfer.

 

Am 29. April 2013 findet die 100. (und letzte) ordentliche Generalversammlung des Verbandes der Bayer. landwirtschaftlichen Brennereien in Pliening bei München statt. Die Bundesministerin Ilse Aigner wird zum Thema "Zum Ende des Branntweinmonopols - Was bleibt? Was kommt?" Stellung nehmen.

 

Beitrag im März 2013

  

 

Auszugsweise entnommen aus einem Beitrag von Martin Empl, Vorsitzender des Verbandes Landw. Brennereien in Deutschland, dem Landwirtschaftlichen Wochenblatt, sowie der BMV.

 

 

 

Genehmigung von 1899

 

 

 




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